Schreibprogramme im Test – was taugt was?

Screenshot von Scrivener

Jeder, der sich vornimmt, ein Buch zu schreiben, wird sich früher oder später die Frage stellen, auf welches der zahlreichen Schreibprogramme zurückgegriffen werden soll. Dabei braucht es eigentlich nicht viel, sein Schreibprojekt in Angriff zu nehmen. Prinzipiell genügt schon ein simpler Text-Editor, um loszulegen. Kein Schreibprogramm kann einem das Schreiben (oder Diktieren) abnehmen. Allerdings kann eine professionelle Software dabei helfen, den Inhalt besser zu strukturieren (z.B. in Szenen), das Rohmaterial in höherer Qualität bereitzustellen oder die anschließende Überarbeitung zu erleichtern. Doch welche Programme kommen infrage? An dieser Stelle möchte ich meine bisherigen Erfahrungen mit euch teilen.

Microsoft Word (alternativ: OpenOffice)

Ihr mögt lachen – aber an Microsoft Word führt, wenn es um Schreibprogramme geht, eigentlich kein Weg vorbei. Insofern ist es nicht nur ratsam, sich mit dieser Software eingehend zu befassen, sondern sogar zwingend notwendig. Man kann über Microsoft sagen, was man will: Beim neuen Textverarbeitungsprogramm (Microsoft Word 2007 oder neuer) haben die Entwickler ganze Arbeit geleistet. Die Ablösung der unübersichtlichen und verschachtelten Symbolleisten zugunsten einer thematischen Anordnung in Tabs war goldrichtig. Somit findet sich ein Anwender in der Regel schneller zurecht. Aber auch der Funktionsumfang spricht für sich.

Schreibprogramme im Test: Word 2007

Falls ihr mit externen Dienstleistern (Agenturen, Verlagen, Lektoren, Korrektoren, Self-Publisher-Distributoren, etc.) zusammenarbeitet, so werdet ihr früher oder später gezwungen sein, euer Werk in einem bestimmten Dateiformat bereitzustellen. In der Regel wird eine rtf-Datei (Rich Text Format) oder eine doc(x)-Datei (Microsoft Word-Dokument) verlangt, damit eine Folgebearbeitung stattfinden kann. Hier seid ihr mit Word in jedem Fall auf der sicheren Seite

Vorteile

  • Standard-Dateiformate (rtf, doc(x), pdf) werden bedient
  • Passable Rechtschreib- und Grammatikprüfung vorhanden
  • Verweise innerhalb des Dokuments sind kein Problem (Stichwort: Inhaltsverzeichnis, Fußnoten, Links, etc.)
  • Professionelle Textformatierung stellt kein Problem dar (Stichwort: Formatvorlagen)
  • Zahlreiche Funktionalitäten machen sogar einen einigermaßen professionellen Buchsatz möglich (Stichwort: Seitenformatierung individuell einstellbar; Silbentrennung manuell/automatisch; Absatzkontrolle zwecks „Hurenkindern“ und „Schusterjungen“; Einblendung von Gitternetzlinien möglich, etc.)

Nachteile

  • Eingeschränkte Organisation und Strukturierung, was sich bei einem umfassenden Buch rasch unangenehm bemerkbar machen kann. Allerdings wurden gerade in diesem Bereich bei den neueren Word-Versionen hilfreiche Funktionen ergänzt.
  • Kostenpflichtig

Scrivener

Scrivener ist mein persönliches Schreibprogramm erster Wahl. Von Anfang an hat mich der Look, die Pinnwandfunktion und vor allem der Vollbildmodus überzeugt. Dasselbe gilt für die Organisation und Strukturierung des Schreibprojekts. Mittels Drag-and-Drop ist es ein Leichtes, Szenen zu verschieben und neu anzuordnen, ohne den Text an sich anfassen zu müssen. Zudem bietet dieses Werkzeug eine Vielzahl von Funktionalitäten an, die den Autor bei seiner Arbeit unterstützen können (Metadaten-Verwaltung, Schlüsselwörter, Notizen, etc.). Die individuelle Einrichtung der Benutzeroberfläche ist vorbildlich, so dass die Arbeitsumgebung den eigenen Ansprüchen angepasst werden kann. Zudem empfand ich den integrierten Namensgenerator als sehr hilfreich.

Schreibprogramme im Test: Scrivener

Die größten Schwächen von Scrivener sind meines Erachtens nach die eingeschränkten Formatierungsmöglichkeiten sowie die spartanische Rechtschreibprüfung (Grammatikprüfung fehlt gänzlich). Ein ordentlicher Buchsatz ist mit Scrivener ebenfalls kaum möglich.

Vorteile

  • Saubere und aufgeräumte Oberfläche, die in vielerlei Hinsicht individuell eingerichtet werden kann
  • Zahlreiche Hilfsmittel zur Organisation und Strukturierung des Schreibprojekts (Pinnwand, hierarchische Ordnung des Manuskripts in Seitenleiste)
  • Im Vollbildmodus (F11-Taste) wird alles ausgeblendet, so dass man durch nichts vom Schreiben abgelenkt wird
  • Viele hilfreiche Funktionen, u.a. ein Namensgenerator
  • Mittels Schnappschüssen kann ein älterer Stand eines Textes auf Knopfdruck wiederhergestellt werden (Versionierung)

Nachteile

  • Formatierung nur eingeschränkt möglich und gewöhnungsbedürftig
  • Eingeschränkte, trainierbare Rechtschreibprüfung, keine Grammatikprüfung
  • Die Ausgabe des Manuskripts kann aufgrund der zahlreichen Optionen gerade zu Beginn sehr umständlich sein
  • Kostenpflichtig

Papyrus Autor

Das Papyrus-Autor-Programm hat den Anspruch, das professionellste Autor-Schreibprogramm im deutschsprachigen Raum zu sein. In der Tat bietet die Software einen Überfluss an Funktionalitäten an, die die Verwaltung des Schreibprojekts sowie die Überarbeitung der Rohfassung erleichtern können. Einige Funktionen sind sogar vom Autor Andreas Eschbach an die Entwickler des Schreibprogramms herangetragen worden. Dazu gehören unter anderem die Stilanalyse und die Lesbarkeitseinschätzung.

Schreibprogramme im Test: Papyrus Autor

Demnach ist es durchaus eine Überlegung wert, sich gleich diese Software anzuschaffen, wenn man sich mit dem Gedanken trägt, dem Schreibhandwerk langfristig nachzugehen. Auch ich habe daran gedacht, bin aber letztlich davon abgekommen – und zwar aus folgenden Gründen:

Für mich wäre eine zuverlässige Rechtschreib- und Grammatikprüfung ein Hauptgrund, auf eine andere Software umzusteigen, da man sich dann gegebenenfalls einen Korrektor sparen könnte. Allerdings hat mich Papyrus in dieser Hinsicht enttäuscht. Zwar werden Rechtschreibfehler (auch nach Dudenempfehlungen) in der Regel zuverlässig erkannt, aber die Prüfung auf Grammatikfehler bzw. kontextbezogene Rechtschreibung ist unzureichend. Außerdem ist mir aufgefallen, dass Text, der mittels Copy-and-Paste eingefügt wird, nicht immer ordnungsgemäß geprüft wird. Erst bei manueller Eingabe desselben Texts wurde mir schließlich der Fehler angezeigt. Teilweise war die Prüfung in Microsoft Word sogar jener im Papyrus überlegen – hier ein paar Beispiele:

  • Das Trommeln der Regentropfen, die gegen die Fensterscheibe klatschten, lullten ihn ein. (hier muss es „lullte“ heißen)
  • Er besah sich die Überreste von Stefans Frühstücks, zu dem auch ein runder Laib Brot gehörte. (hier muss es „Frühstück“ heißen)
  • Weißt du, was man zur Zeit für einen Sack Getreide bezahlen muss? (in diesem Kontext muss „zur Zeit“ zusammengeschrieben werden)
  • Das Königreich steht tief in Eurer Schuld und wird die Opfer, die Eure Stadt im Krieg gebracht habt, niemals vergessen. (hier muss es „hat“ heißen)
  • Alles, was sie geglaubt hatte, zu wissen, ihre tiefsten Überzeugungen, waren auf einen Schlag dahin. (hier müsste die Prüfung auf den Umstand hinweisen, dass sich „waren“ mit dem Umstand beißt, dass in den vorherigen Nebensätzen einmal Singular und einmal Plural zum Einsatz kam)

Auch die Stilanalyse und die Lesbarkeitseinschätzung konnten mich nicht vollständig überzeugen. Die Krux bei diesen beiden Werkzeugen ist, dass einem lediglich angezeigt wird, wo es sich eventuell lohnen könnte, eine Überarbeitung vorzunehmen. So wird z.B. die mehrfache Verwendung desselben Wortes innerhalb weniger aufeinanderfolgender Sätze hervorgehoben und kann leicht korrigiert werden. Meistens stochert der Autor jedoch im Nebel herum und muss sich selbst die Fragen beantworten, ob und wie der Text verbessert werden kann. Hinzu kommt, dass die Logik der Lesbarkeitseinschätzung undurchsichtig ist. Ein einzelner Fachbegriff kann einen gelben Absatz (mittelmäßige Lesbarkeit) schon in einen roten Absatz (schlechte Lesbarkeit) verwandeln. So gerät man unter Umständen in Gefahr, einen passablen Text zu „verstümmeln“ anstatt ihn wirklich zu verbessern. Hier ist also – gerade bei Schreib-Anfängern ­– Vorsicht geboten.

Die eingebaute Synonyme-Funktion (Kontextmenü) hat mir ebenfalls in den wenigsten Fällen einen verwertbaren Vorschlag unterbreitet, so dass ich stets gezwungen war, auf andere Hilfsmittel zurückzugreifen.

Insofern kam ich zum Schluss, dass sich eine Anschaffung zum jetzigen Zeitpunkt für mich einfach nicht lohnt bzw. bezahlt macht.

Vorteile

  • Unglaublicher Funktionsumfang
  • Sehr performantes Programm (kein Ruckeln und Stottern), was das Arbeiten geschmeidig gestaltet
  • Integrierte und aktuellste Rechtschreibprüfung nach Duden (mit Dudenempfehlung)
  • Ausgabe in E-Book-Formate möglich
  • Umfangreiche Dokumentation in deutscher Sprache vorhanden

Nachteile

  • Altbackenes Design der Benutzeroberfläche
  • Rechtschreib- und Grammatikprüfung funktioniert nicht immer tadellos (siehe Beispiele oben); Abarbeitung der Rechtschreibprüfung muss im Text erfolgen (keine gezielte Bearbeitung aller Fehler mittels Pop-up-Fenster möglich, wie es z.B. bei Microsoft Word der Fall ist)
  • Wenig hilfreiche Synonym-Vorschläge
  • Analysetools zur Textüberarbeitung, die teilweise nur für Profis geeignet sind und deren Funktionsweise trotz vorhandener Dokumentation nicht unbedingt transparent daherkommt und aus diesem Grund oft schwer nachvollziehbar ist
  • Teuer in der Anschaffung; Folge-Updates sind nach einer gewissen Zeit nur gegen Aufpreis zu haben

Fazit

Wenn es zum Thema Schreibprogramme kommt, führt eigentlich kein Weg an Microsoft Word (alternativ: OpenOffice) vorbei. Im Zweifelsfall rate ich euch deshalb, es zu Beginn mit dieser Software zu versuchen, da es sich hierbei um einen Alleskönner handelt.

Falls ihr damit unglücklich seid (wie es auch bei mir irgendwann der Fall war), so schaut euch weiter um. Im ersten Schritt könntet ihr den yWriter heranziehen, bei dem es sich um eine kostenlose Autorensoftware handelt (kam bei mir aufgrund der Optik nicht in Frage). Ansonsten empfehle ich euch, zuerst Demo-Versionen der kostenpflichtigen Programme auszuprobieren, bevor ihr viel Geld ausgebt. Nehmt euch einmal ausreichend Zeit, um alle Alternativen gegeneinander abzuwägen, ehe ihr eine Entscheidung fällt. Jede Lösung hat ihre Vor- und Nachteile. Maßgeblich ist, worauf ihr persönlich Wert legt und worauf es euch letztendlich ankommt.

Sobald ihr euch für ein Produkt entschieden habt, könnt ihr euch auf das eigentlich Wichtige konzentrieren: das Schreiben.


Nachtrag: Hier sind die Vor- und Nachteile weiterer Autoren-Schreibprogramme aufgeführt, die ich bislang noch nicht ausprobiert habe.