Ein Hoch auf die One-Hit-Wonder

Gibt es One-Hit-Wonder nicht nur in der Musik, sondern auch in der Literatur?

Der Begriff One-Hit-Wonder wird normalerweise nur in Verbindung mit Musik genannt. Darunter versteht man eine Band, die es zwar geschafft hat, einen Hit in den Charts zu landen, danach aber nicht mehr an den jüngsten Erfolg anknüpfen konnte.

Mir persönlich fallen in diesem Zusammenhang Klassiker ein wie „Breakfast at Tiffany’s“ von Deep Blue Something (Musik-Video auf YouTube), „Lemon Tree“ von Fools Garden (Musik-Video auf YouTube), „Bitter Sweet Symphony“ von The Verve (Musik-Video auf YouTube) oder „Don’t Worry, Be Happy“ von Bobby McFerrin (Musik-Video auf YouTube). Aber auch neuere Songs wie „Somebody That I Used to Know“ von Gotye (Musik-Video auf YouTube) oder „Gangnam Style“ von Psy (Musik-Video auf YouTube) kommen mir in den Sinn. Euch wird es mit Sicherheit ähnlich ergehen. Je länger man darüber nachdenkt, desto umfangreicher wird die Liste an Titeln, die Erinnerungen an vergangene Zeiten wachrufen …

Ein besonders eindrucksvolles Beispiel ist der Song „Dragostea din teï“ der moldauischen Pop-Gruppe „O-Zone“ (Musik-Video auf YouTube), der 2004 gleich in  verschiedenen Cover-Versionen alle möglichen Charts in Europa stürmte. Obwohl die Wenigsten den Text verstehen konnten, setzte sich die Melodie in den Köpfen der Menschen wochenlang fest.

Trotz der zumeist positiven Gefühle, die mit einem One-Hit-Wonder verbunden sind, schwingt in der Benennung als solches doch ein Hauch von Geringschätzung mit. Der jeweilige Künstler oder die jeweilige Band haben es aus unerfindlichen Gründen nicht geschafft, ihren Erfolg zu wiederholen und sind wieder in der Versenkung verschwunden. Das ist irgendwie traurig. Insgeheim wünscht man sich weitere Ohrwürmer ähnlicher Machart. Was lernen wir daraus?

Es gibt nicht DAS Erfolgsrezept

Zuerst sagt uns das, dass es in Wirklichkeit kein Erfolgsrezept zum Schreiben von Hits gibt, auch wenn es immer wieder gegenteilige Behauptungen gibt (hier ein Beispiel). Viele Faktoren spielen eine Rolle, ob ein Song durchstartet oder unter dem Radar bleibt. Sprechen Melodie und Text die Menschen an? Wird der Song von den Medien aufgegriffen, also im Radio gespielt, im Fernsehen gesendet oder auf Youtube angeklickt? Fruchtet die musikalische Fusion der Band oder geraten die Mitglieder aufgrund der auf sie projizierten Erwartungshaltung und des wachsenden Drucks miteinander in Streit? Oft steht mit dem Erfolg auch die erste große Bewährungsprobe ins Haus.

Ein Hit ist besser als gar keiner

Leicht wird vergessen, dass es nicht selbstverständlich ist, auch nur einen einzigen Hit zu landen. Der große Erfolg bleibt vielen Künstlern und Musikern verwehrt, obwohl sie ebenfalls das Potenzial hätten, ganz groß rauszukommen. Am Ende fehlt vielleicht nur das letzte Quäntchen Glück, um zu überregionaler Bekanntheit zu gelangen. Deshalb ist ein Hit immer noch besser als gar kein Hit. Dabei sind die Gründe egal, weshalb der Song erfolgreich ist. Hauptsache er macht gute Laune, weckt Gefühle, spendet Trost oder lässt einen die Hufe schwingen. Hin wie her wird die eigene Musik das Leben anderer Menschen bereichern. Darauf kommt es an!

Ist es bei Romanen so viel anders?

Ich habe mir nun die Frage gestellt, ob diese Überlegungen auch auf die Literatur übertragen werden können. Parallelen sind durchaus erkennbar. Auch hier lassen sich Autorinnen und Autoren finden, die lediglich ein Buch zu Papier gebracht haben und es aus den unterschiedlichsten Gründen dabei bewenden ließen oder mit ihren Folgewerken nicht an die vergangenen Erfolge anknüpfen konnten. Der Klassiker schlechthin dürfte „Der Fänger im Roggen“ von J. D. Salinger sein. Aber auch „Das Bildnis des Dorian Grey“ von Oscar Wilde oder „Wer die Nachtigall stört“ von Harper Lee gehören dazu (weitere Beispiele finden sich hier sowie hier). Mir persönlich fiel zuerst „Das Parfüm“ von Patrick Süskind ein. Die Handlung habe ich als dermaßen erfrischend anders erlebt, dass ich das damit verbundene Leseerlebnis nie vergessen werde. Weitere Bücher des Autors sind mir aber anschließend nicht mehr untergekommen.

»Die klügste Regel über den möglichen kommerziellen Erfolg eines Buchtitels lautet übrigens: Nobody knows anything.«

(Ken Follett im Interview mit Sven Michaelsen auf WELT.de)

Auch beim Schreiben von Geschichten gibt es keine Formel für Bestseller, wenn es auch Faktoren gibt, die einen Erfolg wahrscheinlicher machen. Trotzdem kann niemand vorhersagen, ob ein Roman wirklich eine breite Leserschaft finden wird oder nicht. Wie oft wurden Bestseller-Autoren von Agenturen und Verlagen abgewiesen, ehe jemand im Manuskript das darin schlummernde Potenzial erkannte? Die Antwort ist ernüchternd und verblüffend zugleich. Die von Andreas Eschbach zusammengestellte „Trostliste“ zeigt auf, dass Absagen im Literaturumfeld die Regel sind. Insofern tut man als Autor gut daran, nicht locker zu lassen und am Ball zu bleiben, wenn man aufrichtig von seinem Werk überzeugt ist.

Stell dir vor, jeder schreibt nur ein richtig gutes Buch …

Wenn jeder Mensch in sich nur den Stoff für einen einzigen, großartigen Roman tragen würde, wäre das bereits mehr als genug, um mich für mehrere Leben mit Lektüre zu versorgen. Deshalb halte ich es auch für töricht, nur zu texten, damit etwas geschrieben steht und zwischen Buchdeckel gepackt werden kann. Die Arbeit als Autor macht nur dann wirklich Sinn, wenn ich mich dazu berufen fühle und viele spannende Geschichten in mir trage, die ich mit der Welt teilen möchte.

Mein persönliches Lebensmotto lautet: Klasse statt Masse! Es kommt stets auf den Inhalt an. Ich habe überhaupt nicht den Anspruch, vom Schreiben leben zu wollen oder eine Vielzahl von Büchern veröffentlichen zu müssen, nur damit ich etwas vorzuweisen habe. Deshalb rate ich auch dir: Schreib dein Buch so, wie du es für richtig erachtest, und lass dir von willigen Freunden dabei helfen, die Geschichte noch ein wenig besser zu machen. Glaub mir: Der Moment, wenn du schließlich dein fertiges Buch in Händen hältst, wird dich für alle in Kauf genommenen Strapazen entlohnen. Und lass dir die Freude über das Erreichte nicht davon verderben, dass es vielleicht nur bei diesem einen Buch bleiben könnte. Manchmal brauchen Ideen Zeit, um zu reifen, ehe der intrinsische Wunsch übermächtig wird, wieder in die Tasten zu klopfen. Aber wenn es so weit ist, wirst du bereit sein – und du wirst wissen, dass du es kannst, weil du es schon einmal geschafft hast.

Deshalb breche ich an dieser Stelle eine Lanze für die sogenannten One-Hit-Wonder: Ein einziger Hit oder ein veröffentlichtes Buch reichen vollkommen aus. Wenn es mehr werden, umso besser! Aber nimm das nicht zum Maßstab. Am Ende zählt, dass du mit Stolz auf dein Werk blickst in dem Wissen, dass du deinen Beitrag zur Vielfalt in unserer Welt geleistet hast.